Geschäftsbericht 2014 für die Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg

Datum: 06.03.2015

1. Geschäftsentwicklung der Arbeitsgerichtsbarkeit im Jahr 2014

2. Erste Erfahrungen mit dem neuen Güterichterverfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit

3. Befragung der Prozessbevollmächtigten über die Qualität der Arbeitsgerichtsbarkeit

4. eJustice in der Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg

5. Ausblick auf anstehende Verfahren im Jahr 2015, hierbei weiter im Fokus: Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung sowie Betriebsrenten

    

1. Geschäftsentwicklung der Arbeitsgerichtsbarkeit im Jahr 2014

a) Arbeitsgerichte

Die nach wie vor gute Konjunktur hat bei den Arbeitsgerichten erster Instanz im Jahr 2014 zu leicht sinkenden Verfahrenseingängen geführt. So belief sich die Zahl der Eingänge am Ende des Jahres 2014 auf 42.246 Verfahren. Im Vorjahr waren es 44.929 Verfahren. Die Zahl der am Jahresende 2014 unerledigten Verfahren nahm etwas ab. Sie betrug 11.187 Verfahren (Vorjahr: 12.050 Verfahren). Die durchschnittliche Verfahrensdauer nahm mit 2,7 Monaten erneut leicht ab (Vorjahr: 2,8 Monate).

Der Anteil der Verfahren, die in erster Instanz durch gerichtlichen Vergleich beigelegt werden konnten, übertraf mit 71,7 % nochmals das Niveau des Vorjahres (damals: 70,9 %). Durch das Güterichterverfahren (siehe oben 2.) konnte ein weiterer Beitrag dazu geleistet werden, dass die Verfahren ohne einen „Gang durch die Instanzen“ beigelegt werden können. Die Anteil der Verfahren, die durch eine streitige Entscheidung erledigt wurden, betrug 6,3 % (Vorjahr: 6,0 %).

Die Erledigungsart lässt erkennen, mit welchen Verfahrensgegenständen die Arbeitsgerichte befasst waren. 73,9 % der Verfahren hatten nur einen Verfahrensgegenstand. Davon entfielen: Bestandsstreitigkeiten 43,1 %, davon Kündigungen 42,4 %, Zahlungsklagen 22,1 %, Tarifliche Eingruppierung 0,4 % und Sonstiges 8,3 %. Bei den Verfahren mit mehreren Verfahrensgegenständen (26,1 %) entfielen auf Bestandsstreitigkeit und Zahlungsklage 6,1 %, Bestandsstreitigkeit und Sonstiges 7,7 %, Bestandsstreitigkeit, Zahlungsklage und Sonstiges 4,0 % und Zahlungsklage und Sonstiges 8,2 %. Die Übersicht zeigt, dass die Bestandsstreitigkeiten trotz der guten konjunkturellen Lage immer noch den Schwerpunkt der arbeitsgerichtlichen Verfahren ausmachen.

b) Landesarbeitsgericht

Auch beim Landesarbeitsgericht schlug sich die gute Konjunktur in etwas höheren Eingängen auf einem moderaten Niveau nieder. So belief sich die Zahl  der Eingänge Ende des Jahres 2014 beim Landesarbeitsgericht auf 2.425 Verfahren. Im Vorjahr waren es 2.262 Verfahren. Die Zahl der am Jahresende 2014 unerledigten Verfahren nahm etwas zu. Sie betrug 765 Verfahren (Vorjahr: 619 Verfahren). Der Anteil der durch Vergleich erledigten Verfahren belief sich beim Landesarbeitsgericht auf 42,6 %, der Anteil der durch streitige Entscheidung erledigten Verfahren auf 31,6 %. Auch in den Berufungsverfahren war die Verfahrensdauer mit 5,3 Monaten erfreulich kurz (Vorjahr: 5,9 Monate).

Die Erledigungsart lässt erkennen, mit welchen Verfahrensgegenständen das Landesarbeitsgericht befasst war. 82,3 % der Verfahren hatten nur einen Verfahrensgegenstand. Davon entfielen: Bestandsstreitigkeiten 32,2 %, davon Kündigungen 31,8 %, Zahlungs-klagen 39,0 %, Tarifliche Eingruppierung 2,1 % und Sonstiges 9,0 %. Bei den Verfahren mit mehreren Verfahrensgegenständen (17,7 %) entfielen auf Bestandsstreitigkeit und Zahlungsklage 8,1 %, Bestandsstreitigkeit und Sonstiges 3,5 % und sonstige Verfahren mit mehreren Gegenständen 6,1 %. Die Übersicht zeigt, dass sich die Bestandstreitigkeiten und die Zahlungsklagen beim Landesarbeitsgericht die Waage halten.

c) Bewertung und Ausblick

Als allgemeiner Trend ist festzustellen, dass die Komplexität der arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten zunimmt. Während in den Zeiten der wirtschaftlichen Krisen relativ schnell zu übersehende betriebsbedingte Kündigungen (z.B. wegen Betriebsschließungen) im Vordergrund standen, streiten die Parteien in Zeiten der guten Konjunktur häufig über Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis, Vergütungen aus Bonusabreden oder Zielvereinbarungen, Betriebsrenten und ähnlich komplexe Streitgegenstände. Der zunehmende Ein-fluss des Unionsrechts kommt hinzu. Die Entscheidung einer Streitigkeit über Urlaubsansprüche ist heutzutage ohne die Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr möglich.

Aufgrund der leicht sinkenden Verfahrenseingänge passt die Arbeitsgerichtsbarkeit ihr Personal dem Geschäftsanfall an. So sind im Jahr 2014 sechs Richterinnen und Richter aus der Arbeitsgerichtsbarkeit ausgeschieden; lediglich zwei Stellen wurden nachbesetzt. Auf der Grundlage des in der Justiz geltenden Personalbedarfsbemessungssystems PEBB§Y-Fach entspricht der Deckungsgrad bei den Richtern erster Instanz exakt den Vorgaben. Im Unterstützungsbereich setzt die Arbeitsgerichtsbarkeit nach wie vor ein vom Landtag im Jahr 2011 beschlossenes Stellenabbauprogramm um, das einen Abbau von 32 Stellen im Unterstützungsbereich (bei im Jahr 2011 nur 145 Stellen für Arbeitnehmer und 25 Stellen für Beamte des mittleren Dienstes) bedeutet.

Auch im Jahr 2015 rechnet die Arbeitsgerichtsbarkeit eher mit einem stagnierenden Verfahrenseingang. Trotz verschiedener Risiken hat die positive Wirtschaftsentwicklung bis-lang nicht nachgelassen. Die Arbeitslosenzahlen sind erfreulich niedrig. Ob und auf welche Weise die von einigen Großunternehmen angekündigten Stellenstreichungen sich auf die Verfahrenseingänge auswirken werden, lässt sich derzeit nicht absehen.


2. Erste Erfahrungen mit dem neuen Güterichterverfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg

Als erste Gerichtsbarkeit im Land Baden-Württemberg hat die Arbeitsgerichtsbarkeit am 01.01.2014 das sogenannte Güterichterverfahren flächendeckend bei allen Arbeitsgerichten eingeführt. Die Arbeitsgerichtsbarkeit hat damit in Baden-Württemberg ein Stück Neuland bei der einvernehmlichen Konfliktbeilegung betreten.

Mit dem Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21.07.2012 hat der Gesetzgeber neue Wege bei der Beilegung von Rechtskonflikten eingeschlagen. Er hat einerseits die außergerichtliche Mediation auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Andererseits hat er mit dem Güterichterverfahren den Gerichten eine neue Möglichkeit zur Beilegung von bei Gericht bereits anhängigen Konflikten an die Hand gegeben. Danach kann der Vorsitzende die Parteien für die Güteverhandlung sowie deren Fortsetzung vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

Was ist das Güterichterverfahren? Die Besonderheit dieses Verfahrens besteht darin, dass die Güteverhandlung nicht vor dem entscheidungsbefugten Richter, sondern vor einem anderen Richter, dem Güterichter, stattfindet. Die Verweisung an den Güterichter findet nur dann statt, wenn die am Rechtsstreit Beteiligten damit einverstanden sind. Die Einschaltung eines nicht entscheidungsbefugten Richters eröffnet neue Möglichkeiten zur einvernehmlichen Streitbeilegung. Der Güterichter kann etwa die Methoden der Mediation einsetzen, z.B. getrennte Verhandlungen mit den Parteien führen.  Die Erörterung vor dem Güterichter findet am „runden Tisch“ statt. Anders als beim streitigen Prozess ist die Verhandlung nicht öffentlich.

Das Güterichterverfahren ist nach allgemeiner Einschätzung kein Verfahren, das für die Masse der arbeitsgerichtlichen Prozesse gedacht ist. Es stellt ein zusätzliches Angebot der Arbeitsgerichtsbarkeit für Verfahren dar, die bisher mit den Mitteln des Prozessrechts nicht optimal abgewickelt werden konnten. Die Arbeitsgerichtsbarkeit bietet das neue Ver-fahren in den sogenannten Güterichterzentren der Arbeitsgerichte Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Ulm sowie beim Landesarbeitsgericht an. Rechtsstreitigkeiten aus den übrigen Arbeitsgerichtsbezirken können an eines der Güterichterzentren verwiesen werden.

Anfang des Jahres 2015 hat das Landesarbeitsgericht die von den Güterichtern gewonnenen Erfahrungen evaluiert. Durchweg wurde von den Güterichtern/innen berichtet, dass das Güterichterverfahren eine Bereicherung des staatlichen Angebots zur Streitbeilegung darstellt. Die gewonnenen Erfahrungen sind ausgesprochen gut. Obwohl die in das Güterichterverfahren verwiesenen Rechtsstreitigkeiten vielfach komplex und/oder emotional belastet sind, gelingt in der ganz überwiegenden Zahl der Verfahren eine gütliche Streitbeilegung.

Im Jahr 2014 wurden von den Prozessrichtern insgesamt 75 Rechtsstreitigkeiten an die insgesamt 14 Güterichter/innen verwiesen. Die Vergleichsquote im Güterichterverfahren belief sich - bei sieben noch nicht abgeschlossenen Verfahren - auf 60 %. Dies ist angesichts der Komplexität der an den Güterichter verwiesenen Verfahren ein sehr gutes Ergebnis. In den sonstigen Verfahren beläuft sich die Vergleichsquote bei den Arbeitsgerichten erster Instanz auf 70 %.

Die hohe Vergleichsquote konnte nur durch eine Erörterungsdauer erreicht werden, die signifikant länger (rd. 3 Std.) dauert als bei den sonst üblichen Güte- und Kammerverhandlungen. Die Möglichkeit, mit den Parteien Einzelgespräche zu führen, scheint das „Erfolgsrezept“ des Güterichterverfahrens zu sein. Hierdurch ist es - anders als im streitigen Prozess - möglich, die Vorstellungen der Parteien unter vier Augen in Erfahrung zu bringen.

Insgesamt hat sich das Güterichterverfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg als ein Erfolg erwiesen. Das Güterichterverfahren stärkt die erstinstanzliche Streitbeilegung und vermeidet eine Befassung der Rechtsmittelinstanzen mit komplexen Verfahren.


3. Befragung der Prozessbevollmächtigten

Die Justiz wirkt in die Öffentlichkeit hinein und muss sich daher auch einer Bewertung durch die Personen stellen, die mit ihr ständig zusammenarbeiten. Aus diesem Grund hat die Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg erstmals eine Befragung der häufig bei den Arbeitsgerichten und dem Landesarbeitsgericht auftretenden Prozessbevollmächtigten (Rechtsanwälte und Verbandsvertreter) durchgeführt. Die Befragung fand vom 5. Mai bis 16. Juni 2014 landesweit bei allen 20 Standorten der Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg statt. Sie betraf das Landesarbeitsgericht mit zwei auswärtigen Kammern sowie die neun Arbeitsgerichte mit acht auswärtigen Kammern.

Insgesamt wurden 1483 Prozessbevollmächtigte aus Rechtsanwaltskanzleien und Ver-bänden (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften) gebeten, an der Befragung teilzunehmen. Befragt wurden diejenigen Prozessbevollmächtigten, die häufig vor den Arbeitsgerichten und dem Landesarbeitsgericht auftreten. In aller Regel handelte es sich hierbei um Fachanwälte/innen für Arbeitsrecht und die mit der Prozessführung betrauten Verbandsvertreter/innen. Von den angeschriebenen Prozessbevollmächtigten haben 47,9 % an der Befragung teilgenommen; 35,7 % haben die Befragung komplett abgeschlossen.

Die Befragung erfolgte auf der Grundlage eines Fragebogens. Vorbild war ein Fragebogen, der in den Jahren 2006 und 2012 für die ähnliche Befragung beim Oberlandesgericht Stuttgart verwendet wurde. Befragt wurden die Prozessbevollmächtigten insbesondere zu folgenden Aspekten: Gestaltung des Internetauftritts, behindertengerechter Zugang, Besprechungsmöglichkeiten, Kompetenz und  Freundlichkeit der Geschäftsstellen, Erreichbarkeit der Richter/innen, Vorbereitung des Güte- und Kammertermins, Behandlung von Verlegungs- und Fristverlängerungsanträgen, Pünktlichkeit der Termine, Angemessenheit der Verhandlungsdauer, Rechtzeitigkeit der rechtlichen Hinweise, Führung der Vergleichsgespräche, Verständlichkeit der Entscheidungen und Dauer der Verfahren.

Die Prozessbevollmächtigten wurden gebeten, die Qualität der Arbeitsgerichte und des Landesarbeitsgerichts nach einer sechsstufigen Skala zu bewerten. Die Einschätzungen der Prozessbevollmächtigten lagen durchweg im oberen Bereich. Die Mittelwerte bewegten sich bei den meisten Fragen zwischen 1,5 und 2,0, bei wenigen Fragen zwischen 2,0 und 2,5. Der beste Wert lag bei den Arbeitsgerichten bei 1,31, der schlechteste bei 2,75; beim Landesarbeitsgericht bei 1,37 bzw. bei 2,33. Bei den sog. offenen Kommentaren war nahezu durchweg der Tenor, dass die Zusammenarbeit zwischen den Prozessbevollmächtigten und den Arbeitsgerichten bzw. dem Landesarbeitsgericht vorbildlich sei.

4. eJustice in der Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg

Am 21. Juli 2014 hat das Justizministerium Baden-Württemberg mit einem eJustice-Tag den Startschuss für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte in der baden-württembergischen Justiz gegeben. Mailverkehr, Internetshopping und online-Banking sind für viele Bürger bereits selbstverständlich. Die Justiz muss mit diesen Entwicklungen Schritt halten. Sie muss modern und bürgernah kommunizieren.

Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung wird die Arbeit mit und in der Justiz komplett verändern. eJustice vereinfacht die Arbeitsabläufe: Die Versendung und Zustellung von gerichtlichen Dokumenten wird erheblich schneller erfolgen. Der Transport und die Archivierung von Akten werden entfallen. Die Dokumente stehen stets auf Abruf für mehrere Bearbeiter gleichzeitig zur Verfügung. Komplexe Sachverhalte lassen sich komfortabel strukturieren. Schließlich steht die elektronische Akte auf mobilen Endgeräten überall zur Verfügung.

Ende Januar 2015 hat das Justizministerium nach einem aufwändigen Vergabeverfahren den Zuschlag für die Entwicklung der elektronischen Akte an einen Softwareanbieter erteilt, der zu den führenden eAkten-Anbietern in Deutschland zählt. Nach der Entwicklung der Software soll bereits Ende 2015 die Pilotierungsphase beim Arbeitsgericht Stuttgart und beim Landgericht Mannheim beginnen. Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist erfreut darüber, dass ein Arbeitsgericht für die Pilotierung ausgewählt wurde. Die Beschäftigten der Arbeitsgerichtsbarkeit wurden im 4. Quartal 2014 ausführlich über die Chancen, aber auch über die Risiken des Projekts unterrichtet. Sie stehen der elektronischen Aktenführung aufgeschlossen gegenüber und werden das eJustice-Projekt konstruktiv begleiten.


5. Ausblick auf anstehende Verfahren im Jahr 2015, hierbei weiter im Fokus: Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung

a) Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung

Die Auseinandersetzungen über die Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitnehmerüber-lassung stellten im Jahr 2014 einen thematischen Schwerpunkt der Entscheidungen dar. Angesichts der höchstrichterlich nicht geklärten Rechtslage kam es zu unterschiedlichen Entscheidungen der verschiedenen Kammern des Landesarbeitsgerichts:

(1.) Urteil der 4. Kammer des Landesarbeitsgericht vom 3. Dezember 2014 - 4 Sa 41/14:

Ein Arbeitsverhältnis mit Entleihunternehmen (Firma EvoBus in Mannheim) kommt im Falle eines Scheinwerkvertrages trotz bestehender (Vorrats-) Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der Verleihunternehmen zu Stande.

Die zugelassene Revision beim Bundesarbeitsgericht ist eingelegt.

(2.) Urteil der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 2014 - 3 Sa 33/14:

Das Vorliegen einer (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verhindert auch beim Vorliegen eines Scheinwerkvertrags das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Drittunternehmen (Firma Daimler AG).

Die beiden Entscheidungen sind in der Fachpresse vielfach kommentiert worden. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die im Koalitionsvertrag verankerte Absicht, die Abgrenzung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung zu regeln, alsbald verwirk-licht und die bisher bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Es liegen bereits zahlreiche Regelungsvorschläge vor.

(3.) Berufungsverhandlung der 2. Kammer am 1. April 2015, 9:00 Uhr (2 Sa 53/14):

Demnächst steht in der 2. Kammer ein weiteres Verfahren zu diesem Themenkomplex an:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass mit der Daimler AG seit dem 7. Juni 2004 ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Kläger wurde zunächst von hundertprozentigen Tochtergesellschaften der Daimler AG als Versuchsfahrer eingestellt, die nicht über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügten. Mit einer weiteren hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Beklagten, die seit dem 27. Oktober 2005 eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hatte, schloss der Kläger zum 1. August 2008 einen weiteren Arbeitsvertrag als Versuchsmechaniker. In allen Arbeitsverträgen ist als Eintrittsdatum des Klägers der 7. Juni 2004 aufgeführt. Der Tätigkeit des Klägers als Versuchsfahrer und Versuchsmechaniker lag zunächst ein "Projektierungsvertrag" zwischen der D.-GmbH und der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu Grunde. Während seiner Tätigkeit für die Mt.-GmbH bzw. die M. Group schlossen diese mit der Beklagten zunächst als Werkverträge bezeichnete Verträge, für die Zeit ab 1. Oktober 2009 Arbeitnehmerüberlassungsverträge und ab dem 1. Januar 2013 wieder als Werkverträge bezeichnete Verträge ab.

Der Kläger macht geltend, er sei von Beginn an nicht auf der Grundlage von Werkverträgen, sondern als Leiharbeitnehmer tätig gewesen. Zur Begründung legt er näher dar, dass er Weisungen von den Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin der Beklagten und später der Beklagten erhalten habe und wie er in deren Betrieb eingegliedert gewesen sei.

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 5. November 2014 - 11 Ca 8426/13). Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Arbeitsgericht Stuttgart zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger sei seit dem 7. Juni 2004 nicht auf der Grundlage von Werkverträgen, sondern als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden. Der Kläger habe das Klagerecht auch nicht verwirkt. Der Beklagten sei eine materiell-rechtliche Auseinandersetzung trotz des ca. 9 1/2 Jahre zurückreichenden Sachverhalts nicht unzumutbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

b) Betriebsrenten, insbesondere bei der Fa. EnBW

Beim Landesarbeitsgericht sind seit 2011 zahlreiche Verfahren eingegangen, in denen Beschäftigte des Energiekonzerns EnBW höhere Betriebsrenten beanspruchen. In der Sache geht es um die Frage, ob die Versorgungsordnung 1997, die für die Beschäftigten vorteilhafter gewesen ist, durch eine Versorgungsordnung 2004 wirksam abgelöst worden ist. In verschiedenen Urteilen haben mehrere Kammern des Landesarbeitsgerichts, wie die erste Instanz, im Jahr 2013 entschieden, dass der durch die Versorgungsordnung 2004 erfolgte Eingriff in die betriebliche Altersversorgung der Kläger nicht den Grundsätzen von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz entsprochen habe.

In bisher 10 Fällen sind die von EnBW gegen diese Urteile eingelegten Revisionen erfolgreich gewesen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteilen vom 9. Dezember 2014 die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Die verschiedenen Kammern des LAG werden unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts neu zu entscheiden haben. Da die schriftlichen Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts erst im April 2015 erwartet werden und den Parteien zu der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgericht rechtliches Gehör eingeräumt werden muss, werden in den insgesamt ca. 50 Verfahren erst im Herbst 2015 Verhandlungen anberaumt werden können. Aller Voraussicht nach werden in diesen Verhandlungen zahlreiche schwierige Fragen des Betriebsrentenrechts geklärt werden müssen.

Dr. Eberhard Natter
Präsident des Landesarbeitsgerichts

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